Shrimp
Es ist mal wieder Zeit für eine neue Schaufenster-Deko. Draußen weihnachtet es so allmählich vor sich hin und heute ist in Miesbach „Lichterglanz“. Sämtliche Geschäfte putzen sich fein heraus, richten her, um Kunden und Besuchern strahlende Augen, eine tolle Stimmung zu schenken.
Vor meinem Geschäft bauen die „Haberer“ in bereits am Nachmittag leutselig erkennbarer Stimmung ihren Grill auf. Noch lassen die Würstl auf sich warten und das Wasser läuft mir bereits vorsorglich im Munde zusammen. Ich liebe Würstl vom Grill. Auf Fleischberge, die in unerklärlichen Marinaden ertränkt wurden, kann ich jedoch getrost verzichten. Während ich meinen Speichelfluss im Zaume zu halten versuche, bestücke ich die Auslagen in meinem Fenster neu.
Beim Beobachten der geschäftigen Herren mit Bierflasche in der Hand, sticht mich ein klein wenig der Hafer und die Pferde gehen mit mir durch. Ich grinse vor mich hin. Nehme ein ganz spezielles Schmuckstück zur Hand und positioniere es in der „pole position“. Mein Grinsen wird breiter. Zwischenzeitlich wird mir auch endlich meine Bratwurst gebracht. Endlich. Als Miete und Entschädigung, dass die Herren mir die Sicht versperren.
Krümelnd stehe ich solange kauend in meinem hübschen Showroom, bis mir auffällt, was für eine Sauerei die Brösel anrichten. Schleunigst schleiche ich mich vor die Tür. Schließlich möchte ich ja nicht, dass es bei mir aussieht wie bei Hempels unter dem Sofa. Ich höre meine Kindheit im O-Ton. Mein Grinsen wird noch breiter.
Kaum vor der Tür angekommen und an einem großen Bissen kauend, biegen bereits meine Gäste des heutigen Tages um die Ecke. Meinen Senf-Fingern geschuldet, muss die Begrüßung etwas weniger körperlich nah ausfallen. Doch meine begeisterte Freude kann ich auch durch wortreiche Gesten zum Ausdruck bringen.
Voller Stolz bitte ich nun in meinem Showroom und auch eine Schlossführung durch die wunderschönen Räume schließt sich alsbald, als weiterem Programmpunkt auf der Tagesordnung, an. Es plaudert sich danach ganz famos im Kerzenschein bei San Daniele, Brot und Wein. Die Stimmung wird zwar längst nicht so leutselig wie vor der Tür, aber steht dieser doch in nichts nach. Immer wieder blitzen gekonnte Scherze in die freundliche Stimmung.
Dann rückt die Stunde des Abschieds heran und endlich fällt auch mein Lieblingsschmuckstück meinen Gästen ins Auge. Ich ernte an dieser Stelle den gewünschten Lacher und kann mit einem nunmehr unglaublichen Grinsen an den Würgereiz des Oberlandlers denken, als er dieses Objekt meiner eigenen Freude in meinem Schaufenster erblickte.
Elegant schlagen meine Sätze einen Haken in diese Richtung:
„Ich könnte Euch erzählen, warum ich ausgerechnet dieses Schmuckstück entworfen und gebaut habe.“
Heiteres Nicken strahlt mir aus drei Augenpaaren entgegen. Geschichten kann ich ebenso wortreich wie blumig und farbenfroh zum Besten geben.
„Als ich kaum in München mein erstes eigenes Geschäft eröffnet hatte!“
Beginne ich etwas ausholend.
„… wurde ich zur Einweihungsparty der neuen Räume vom Ketterer eingeladen.“
Ich spreche langsam und spiele solange mit dem Spannungsbogen der Ereignisse, bis Frank-Thomas das Wort ergreift.
„Du kannst Dich ruhig „aufbrezln“ und auffälligen Schmuck tragen.“
Ich werde ihn und seine Frau zu diesem Event begleiten.
Leicht verlegen runzele ich meine Stirn. Mit der Vielzahl an Brillanten, die üblicherweise in den Schmuckstücken der „Münchener Highsociety“ verbaut werden, kann ich definitiv nicht mithalten.
Aber aus der Reihe der angesagten Windrichtung kann ich hervorragend tanzen und mit meinen bisweilen mehr als kreativen Ideen kann die Goldschmiede-Elite der bayrischen Großstadt-Metropole wiederum nicht mithalten. Gedacht getan. Ich setze meine Idee sofort in die Tat um.
Das Beutestück, seinerzeit beim ZDF beheimatet und nun auf gänzlich unerklärliche Weise in meinem Besitz befindlich, lächelt mich begeistert an. Endlich ist seine Zeit gekommen. Ich lächele zurück. Kaufe zur Abrundung noch eine Rolle schnödes Paketband und bin von der Brillanz meiner Idee überzeugt.
Dann kommt der Abend der Veranstaltung und ich wähle in Anbetracht der extrem heißen Temperaturen passende Kleidung. Wohler kann ich mich kaum fühlen, als ich mich im Spiegel anschaue und zur Vollendung meines Outfits das nigelnagelneue Schmuckstück anlege. Gekonnt binde ich mir eine Schleife um den Hals.
Dann klingelt es bereits und ich werde abgeholt. Kaum im Auto sitzend, dreht sich „Maus“, so der Kosename der Galeristengattin, zur mir um. Sie beugt sich schnuppernd zu mir nach hinten:
„Und der stinkt nicht irgendwann?“
„Nö!“
Nun dreht sich auch Frank-Thomas auf dem Fahrersitz zu mir um.
„Der stinkt nicht!“
„Das ist ein Plastik-Shrimp in 18 Karat Gelbgold gefasst an Paket-Schnur!“
Ich kann mir kaum noch das Lachen verkneifen und streiche liebevoll die Schleife um meinen Hals in Form.