Es regnet an diesem Markt-Donnerstag und irgendwie fühlt es sich kalt an, obwohl es noch erstaunlich warm für diese Jahreszeit ist. Sogar ein Zipfelchen blauen Himmels und einen Hauch Sonnenschein kann ich entdecken. Voller Elan bin ich vor Tau und Tag aus dem Bett gesprungen. Habe den Tag mit einem Lächeln begrüßt, was sofort vom Universum mit einem deutlich größeren Stück Guglhupf vom Marktstand gegenüber belohnt worden ist. Sogar zu einem Schnäppchenpreis hat sich die Dame hinter dem Tresen hinreißen lassen. Aber vielleicht lag das auch einfach daran, dass sie heute in der Früh den Kuchen nicht aus der Form bekommen hat.

Karma Karma Karma
… blinkt vorbeigehend ein leuchtendes Schild mit Hupton über ihrem Kopf.

Ich grinse, bezahle meinen Kuchen und verschwinde mit meiner üppigen Beute im Reich der GOLDSETZERIN.

Es ist schon warm und ich fühle mich den ganzen weiteren Vormittag hindurch einfach nur wohl. Dekoriere genüsslich vor mich hin und die Zeit bestimmt ihren eigenen Rhythmus, der mir sehr angenehm ist.

Schon kurz vor Mittag.

Den meisten Leuten ist es draußen zu kalt. Sie schlagen ihre Mantelkrägen hoch hinauf und nur wenige schauen in mein Fenster.

Gestern neu dekoriert. Ich platze vor Stolz.

Plötzlich kommt ganz zielstrebig eine ältere Dame auf meine Tür zumarschiert. Beige Jacke, sehr sehr feste Figur. Wie man hier sagen würde. Uppsss …denke ich mir. Da hat sie bereits das fleischige Händchen auf der Türklinge und tritt ein. Überzeugung pur strahlt mir aus ihren Äuglein entgegen. Ich bin gespannt.

Sie öffnet den Mund.
„Bittschön.“

Ich kann das ja ganz besonders gut leiden, wenn man eine Begrüßung zum Eintritt mit diesem Wort beginnt. „Bittschön.“

Sie wiederholt sich.
„Sagens amoi.“
„Habens umgramt?“

„Umgeräumt?“
Nun schaue ich blöd.

„Nein.“
„Warum?“

„Sonst stand doch imma der Tresn direkt hier vorn.“
„Tresen?“
„Ja.“
I bin doch aba hier in der Marktapothekn!“

Was eine Frage hätte sein müssen, ist ausdrucksstark eine Feststellung.

Wieder verdrehe ich die Augen.
„Nein.“
„Die ist seit einem Jahr weg.“
„Wie weg?“
„Und wo sans den jetz?“

Ich kann mir das Grinsen kaum noch verkneifen.
„Das entzieht sich gänzlich meiner Kenntnis.“

"Ich bin Goldschmiedin und habe diese Räume seit Oktober gemietet.“

Sie geht zur Tür und öffnet diese mit einem deutlichen Ruck, der ihre Stimmung gut zum Ausdruck bringt. Dann dreht sie sich nochmals um. Die Tür bleibt sperrangelweit offen. Meine Augenbraue schnellt hoch und denkt an Heizkosten und Nebenkostenabrechnungen.

Sie fällt meinen Gedanken ins Wort:
„Und wo bekomm i jetz die Miasbacher Oxnsalbe her?“

November 17, 2022 — Kerstin Köglmeier